Was wäre, wenn… – Dein mentaler Fluchtweg aus Panik und der Weg zurück in den Augenblick

Hast du jemals das Gefühl gehabt, festzustecken, wenn du in bestimmten Situationen auf Stress oder Ängste stößt? Sei es an der Kasse im Supermarkt, in einer Menschenmenge oder in engen Räumen – diese Momente können überwältigend wirken, als ob der innere Druck keine Fluchtmöglichkeit zulässt. Doch was wäre, wenn du genau in diesen Augenblicken deine innere Ruhe finden könntest? Was wäre, wenn du lernst, deine Panik durch einfache Gedankenexperimente in etwas Beruhigendes und Stärkendes zu verwandeln?

Diese Möglichkeit ist greifbar. Mit gezielten „Was-wäre-wenn“-Übungen kannst du eine neue Perspektive einnehmen und deinen Geist bewusst beruhigen. Diese Übungen bieten dir eine Art mentalen Fluchtweg, der es dir erlaubt, in stressigen Situationen die Kontrolle zurückzugewinnen, ohne wegzulaufen. Indem du deine Gedanken bewusst steuerst, lernst du, inmitten der größten Herausforderungen ruhig und gelassen zu bleiben.

Panikattacken können in verschiedenen Situationen auftreten – oft völlig unerwartet. Einengende Räume, große Menschenmengen oder stressige Alltagssituationen wie das Warten an einer langen Supermarktkasse können Trigger sein, die eine Fluchtreaktion auslösen. Diese „Fight-or-Flight“-Reaktion ist tief in uns verwurzelt und signalisiert unserem Körper: „Gefahr! Ich muss weg!“. Doch die tatsächliche Gefahr existiert oft nur in unseren Gedanken.

Hier kommen die „Was-wäre-wenn“-Übungen ins Spiel. Sie sind ein einfaches, aber effektives Werkzeug, um genau in solchen Momenten die Kontrolle über deine Gedanken zurückzugewinnen. Durch diese Techniken kannst du die Panik umlenken, indem du den stressigen Moment neu bewertest und in eine beruhigende Vorstellung umwandelst. Dabei wird deine Wahrnehmung so verändert, dass der Fokus weg von der Panik und hin zu einem Gefühl der Sicherheit und Ruhe gelenkt wird.

So funktionieren die „Was-wäre-wenn“-Übungen:

  1. „Was wäre, wenn ich schon draußen wäre?“
    Stell dir vor, du hättest diese angespannte Situation bereits hinter dir gelassen. Du stehst draußen, atmest die frische Luft ein und spürst die Freiheit. Diese Vorstellung gibt deinem Gehirn ein klares Ziel: den Moment zu überstehen. Es erinnert dich daran, dass das Gefühl der Erleichterung direkt vor dir liegt.
  2. „Was wäre, wenn ich jetzt schon tief durchatmen würde?“
    In Paniksituationen beschleunigt sich unser Atem oft. Aber was wäre, wenn du genau jetzt schon tief und ruhig atmen würdest? Stelle dir vor, jeder Atemzug würde den Druck und die Angst loslassen. Je mehr du dich auf deinen Atem konzentrierst, desto mehr beruhigt sich dein Nervensystem.
  3. „Was wäre, wenn die Menschen um mich herum wie Bäume wären?“
    Statt die Hektik der Menschen um dich herum wahrzunehmen, stell dir vor, sie sind wie Bäume – fest, ruhig, still. Ihre Bewegungen betreffen dich nicht, denn sie sind Teil der Natur. Sie sind in ihrer eigenen, langsamen Welt verwurzelt, und du stehst einfach ruhig daneben. Diese Vorstellung schafft eine beruhigende Distanz zwischen dir und der Menge.
  4. „Was wäre, wenn ich den leuchtenden Kern der Menschen sehen könnte?“
    Jeder Mensch hat einen inneren, leuchtenden Kern, der friedlich und positiv ist. Stell dir vor, du könntest diesen Kern sehen – ein warmes, ruhiges Licht, das dich umgibt. Anstatt die Außenwelt als stressig oder bedrohlich zu empfinden, fokussiere dich auf dieses friedliche Bild und erlaube dir, mit dieser positiven Energie in Verbindung zu treten.
  5. „Was wäre, wenn ich die Zeit verlangsamen könnte?“
    In besonders stressigen Momenten scheint alles um uns herum viel zu schnell zu gehen. Was wäre, wenn du die Zeit in deinem Kopf verlangsamen könntest? Stell dir vor, alles passiert langsamer – die Menschen bewegen sich gemächlich, die Geräusche verblassen. Du hast genug Raum und Zeit, um zu atmen und dich zu orientieren. So nimmst du den Druck aus der Situation und gewinnst die Kontrolle zurück.
  6. „Was wäre, wenn ich unsichtbar wäre?“
    Manchmal fühlen wir uns in sozialen Situationen beobachtet oder unter Druck gesetzt. Was wäre, wenn du unsichtbar wärst? Niemand würde dich sehen, du könntest einfach da sein, ohne Erwartungen, ohne Bewertungen. Diese Vorstellung hilft dir, den Druck loszulassen und die Situation neutral zu betrachten.

Wieso funktionieren diese Übungen?

Diese Gedankenexperimente beruhen auf der Macht deiner Vorstellungskraft. Dein Gehirn unterscheidet nicht immer zwischen Realität und Vorstellung. Wenn du dir in einer stressigen Situation bewusst vorstellst, dass du schon ruhig, draußen oder unsichtbar bist, reagiert dein Körper entsprechend. Dein Nervensystem entspannt sich, dein Atem wird ruhiger, und die Panik löst sich nach und nach auf.

Der Schlüssel liegt darin, diese Übungen regelmäßig zu trainieren, bevor du in eine stressige Situation gerätst. Sie helfen dir, deine Reaktion auf Panik neu zu programmieren. Anstatt in den Kampf-oder-Flucht-Modus zu schalten, lernst du, wie du die Kontrolle über deine Gedanken und Emotionen behältst.

Die „Was-wäre-wenn“-Übungen bieten dir einen mentalen Fluchtweg aus stressigen Momenten, ohne dass du wirklich fliehen musst. Sie sind einfach anzuwenden, jederzeit verfügbar und geben dir die Möglichkeit, in jeder Situation gelassen zu bleiben. Es mag zunächst ungewohnt sein, aber mit der Zeit wirst du feststellen, dass du Panikattacken mit diesen einfachen Techniken immer besser bewältigen kannst.

Indem du lernst, deine Gedanken bewusst zu steuern und neue Perspektiven einzunehmen, wird aus jeder Paniksituation eine Chance zur Stärkung deines inneren Gleichgewichts.

In den Augenblick kommen: Atem als Anker“

Nachdem du dir mit den „Was-wäre-wenn“-Übungen einen mentalen Raum der Ruhe erschaffen hast, kommt der nächste Schritt: den Augenblick voll spüren und im Hier und Jetzt ankommen. Der Atem ist dabei dein kraftvollstes Werkzeug.

Atme sanft ein und aus, ohne es zu erzwingen. Spüre den Atem als einen Fluss, der in deinen Körper hinein- und wieder hinausströmt. Der Atem bringt Leben, und dieser Fluss des Atems trägt dich durch die Situation. Jedes Einatmen füllt dich mit Ruhe, jedes Ausatmen lässt Spannungen los.

Jetzt, wo du deine Aufmerksamkeit auf den Atem lenkst, spürst du den Fluss deines Körpers. Dein Brustkorb hebt und senkt sich im Rhythmus deines Atems. Dein Puls, der vielleicht schneller geworden ist, fängt an, sich an den ruhigen Rhythmus deines Atems anzupassen. Jeder Atemzug verbindet dich tiefer mit deinem Körper, mit dem Moment, und bringt dich aus dem Gedankenkreisen heraus in das Hier und Jetzt.

Dein Atem ist wie ein sanfter Fluss, der unaufhörlich strömt – ruhig, beständig, kraftvoll. Du musst nichts tun, nur diesen Fluss spüren und mit ihm gehen. In diesem Moment gibt es nichts anderes als den Atem, der dich durch diesen Augenblick trägt. Mit jedem Atemzug kehrst du mehr und mehr zu deiner inneren Ruhe zurück, bis sich die Panik auflöst und du dich sicher und gefestigt fühlst.

Durch das bewusste Atmen und das Spüren deines Körpers bringst du dich in den gegenwärtigen Moment, was die beruhigende Wirkung der „Was-wäre-wenn“-Übungen zusätzlich verstärkt. Der Atem wirkt dabei als Anker, der dich im Jetzt hält und dich daran erinnert, dass du die Kontrolle über deine Reaktion auf die Situation hast.

Dr. med. Jens Neidert, Stockstadt im September 2024

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